Zwentendorf
Asparn/Schletz
MUL - Allgemeine und Analytische Chemie
Zwentendorf-Hofwiese
Durch die Krise vereint?
Eine transdisziplinäre Untersuchung frühneolithischer Gemeinschaften der Siedlungskammer von Schletz
Im Projekt wird das Umfeld der berühmten jungsteinzeitlichen Siedlung von Asparn/Schletz (Bez. Mistelbach) erforscht. Zahlreiche menschliche Überreste legen nahe, dass ihre Bewohner*innen in der Zeit der späten Bandkeramik, vor etwa 7.000 Jahren, einem feindlichen Angriff zum Opfer fielen. Aufgrund der Größe und der Befestigungsanlage vermuten wir, dass Schletz ein zentraler Siedlungsplatz inmitten eines Clusters kleinerer Siedlungen war. Durch die Erforschung dieser Siedlungen im Umfeld hoffen wir unter anderem auf neue Hinweise zum Hintergrund des Massakers und zur Herkunft der in Schletz verstorbenen Personen.
Im Projekt suchen wir gemeinsam mit Interessierten auf Fundorten und Verdachtsflächen in den Gemeinden um Asparn/Schletz nach jungsteinzeitlichen Funden (Keramik, Steingeräte …). Dazu gehen wir in regelmäßigen Abständen über die Felder und kartieren die entdeckten Funde. Im Anschluss reinigen wir sie gemeinsam und führen sie einer wissenschaftlichen Dokumentation und Analyse zu. Hier finden Sie Informationen zur Mitarbeit, wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.
Schüler*innen der NMS Asparn entnehmen im Rahmen des Projekts Bodenproben für die Erstellung einer Isotopenlandkarte der Region. Dies erlaubt eine Diskussion der möglichen Herkunft der in Schletz verstorbenen Menschen!
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Lokalisierung, Datierung und Klassifizierung von frühneolithischen Fundstellen im Umfeld der Zentralsiedlung von Asparn/Schletz
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Bestimmung der bioverfügbaren Strontium-Isotopensignale der Fundstelle Asparn/Schletz und der umliegenden Region
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Bestimmung der möglichen Herkunft bzw. des Anteils lokaler vs. nicht-lokaler Individuen an den menschlichen Überresten von Asparn/Schletz
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Gewinnung von Wissen über die soziale Organisation und zeitliche Entwicklung des frühneolithischen Siedlungsclusters von Asparn/Schletz und seiner Gesellschaft
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Beurteilung von Arbeitshypothesen zu Vorgeschichte, Hintergrund und Folgen des Massakers von Asparn/Schletz, auch als Fallstudie für theoretische Modelle zur Entwicklung von Gesellschaften und der von der Forschung diskutierten „Krise“ im späten Frühneolithikum
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Förderung von Motivation und Selbstvertrauen von Schüler*innen im Bereich Wissenschaft & STEM
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Förderung des öffentlichen Interesses an Archäologie & Wissensaustausch durch aktive Beteiligung von interessierten Laien und Sammler*innen von Oberflächenfunden
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Systematische archäologische Feldbegehungen („line walking“)
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GIS-Modellierung, Recherche in Literatur, archäologischen Archiven & Funddepots
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Statistische Auswertung und Altersbestimmung von Funden (Typochronologie, Radiokarbonmethode etc.)
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Bestimmung des Sr-Isotopenverhältnisses von menschlichen Überresten und Bodenproben (Massenspektrometrie - MC-ICP-MS)
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Bioanthropologische Untersuchungen an menschlichen Überresten
Abstract des Projekts
Die Siedlung der Linearbandkeramik (LPC) von Schletz, Niederösterreich (5400–5000 BC), die mit einem doppelten ovalen und einem daran anschließenden trapezförmigen Grabenwerk befestigt war, wurde in den Jahren 1983 bis 2005 teilweise ausgegraben. Internationale Aufmerksamkeit erregte der Fundplatz in erster Linie aufgrund der menschlichen Überreste aus Graben II: Ihre atypische Lage und die perimortalen Defekte führten zum Schluss, dass die Bewohner*innen bei einem Angriff auf die Siedlung um etwa 5000 v. Chr. zu Tode gekommen waren. Ungewöhnlicherweise wurden die Toten nicht bestattet und waren unterschiedlichen taphonomischen Einflüssen (z.B. Tierverbiss) ausgesetzt. Da jüngere Siedlungsspuren der LPC an der Fundstelle zu fehlen scheinen, dürfte die Siedlung nach diesem Ereignis verlassen und aufgegeben worden sein. Erste Teilergebnisse einer molekulargenetischen Analyse scheinen auf eine unerwartet geringe Anzahl von Verwandtschaftsbeziehungen hinzuweisen. Daher stellt sich die Frage nach der Herkunft der Toten. Sie waren zusammen gestorben, hatten sie aber auch zusammen gelebt?
Um ihre Herkunftsregion(en) zu bestimmen, wird das Sr-Isotopenverhältnis (87Sr/86Sr) in den menschlichen Zähnen ermittelt und mit einer Sr-Isotopenlandkarte (Isoscape) des lokal bioverfügbaren Strontiums der Region verglichen. Aufgrund der Ausdehnung, des Fundspektrums, der Besiedlungsdauer und der Erdwerke, kann Schletz als Zentralort angesprochen werden, der demnach von einem Cluster kleinerer Siedlungen umgeben gewesen sein müsste. Bei Schletz ist dieser Cluster allerdings völlig unerforscht. Im Projektvorhaben möchten wir im Rahmen eines transdisziplinären Ansatzes den Blick über die Fundstelle Schletz hinaus auf diesen vermuteten Siedlungsverband werfen. Wir gehen davon aus, dass die Kenntnis der umliegenden Siedlungen, ihrer Struktur und Entwicklung entscheidend ist für das Verständnis der gesellschaftlichen Entwicklung, die zu den gewaltsamen Ereignissen im Zentralort führte, zumal das finale Massaker wahrscheinlich nur der Schlusspunkt einer längeren Entwicklung war.
Begleitet von Archäolog*innen werden Citizen Scientists die einzelnen, aus Fundmeldungen bekannten, sowie aufgrund der Geländesituation vermuteten Siedlungsstellen begehen, das Fundmaterial bergen und dokumentieren. Geplant ist weiters die selbstständige Entnahme und Aufbereitung von Bodenproben durch Schüler*innen einer lokalen Mittelschule. Die Proben werden aus dem Gebiet der bandkeramischen Siedlungsstellen entnommen, um eine Isoscape-Kartierung der bioverfügbaren Sr-Isotopenverhältnisse zu erstellen. Dieses Vorgehen ist Voraussetzung für die Herkunftsbestimmung der aus der Schletzer Siedlung geborgenen Individuen, die – unserer Hypothese entsprechend – einen hohen Anteil von nicht-lokalen Bewohner*innen aus dem Siedlungscluster oder darüberhinausgehender Regionen einschließen könnte. Wir erwarten, dass die über die Zentralsiedlung möglicherweise hinausreichende gewalttätige Auseinandersetzung präziser erfasst werden kann. Aber auch auf breiter Datenbasis begründete Aussagen zur ökonomischen und sozialen Struktur einer frühneolithischen Gesellschaft sind zu erwarten.
Projektbeteiligte
Kontakt
Postanschrift:
Landessammlungen Niederösterreich
Schloss Asparn/Zaya, Schlossgasse 1
A-2151 Asparn/Zaya